Eine Rollbrett- und E-Rolli-Straße im Kindergarten

Eine besonders schöne Geschichte aus unserem Chancenpatenschaften-Programm, erzählt von Martin, einem Erzieher im Leipziger Buchkindergarten:

Jonas* in unserem Kindergarten bewegt sich mit einem Rollstuhl. Seit er 5 Jahre alt ist, kann er auch einen E-Rollstuhl fahren – das durfte er draußen und daheim schon eine ganze Weile. Nach einigem Üben steuerte er seinen E-Rollstuhl so gekonnt, dass das auch im trubeligen Alltag unseres Kindergartens klappen konnte ohne zu Hauf plattgefahrene Zehen befürchten zu müssen.

Im Vorgespräch mit Jonas dazu besprachen wir mit ihm, seiner Mutter, den Gruppenerziehern und seiner Assistentin, was es denn für den E-Rollstuhl vorzubereiten gäbe. Dabei brachte Jonas das Thema auf, dass insbesondere im breiten Flur, der gleichzeitig Bewegungsraum ist, aber auch in den Garderoben der Gruppen oft so viele Sachen wie Schuhe, Jacken, Bälle, Matten etc. auf dem Boden lägen, dass es für ihn schwer möglich sei, dort hindurch zu kommen. Jonas überlegte, dass es gut wäre, einen Bereich auf dem Boden zu markieren, eine Straße gewissermaßen, auf der nichts liege dürfe.

Diese Frage wurde in den Morgenkreis seiner Stammgruppe getragen. Die Kinder fanden die Idee gut und nachvollziehbar – Anton*, Jonas engster Freund, sagte zu, beim „Bau“ einer solchen Straße helfen zu wollen.

So wurde Tanzparkettklebeband besorgt und eines Montagmorgens machten sich insgesamt 5 Kinder der Gruppe mit Jonas und seiner Assistentin daran, die wichtigsten Wege im Kindergarten E-Rollstuhlbreit abzukleben. Es wurde viel diskutiert und besprochen – Wo fährst du eigentlich so lang? Was sind unsere Wege als Gruppe? Eine Straße entstand. Im Anschluss gingen die Kinder durch die Gruppen, um allen Kindern des Hauses davon zu berichten, was es mit der neuen Straße auf sich habe.

In den Gesprächen mit den Kindern entwickelte Jonas die Vorstellung, dass es sehr spaßig sein könnte, andere Kinder an seinen E-Rollstuhl auf Rollbrettern anzuhängen, um diese zu ziehen – ihnen so gewissermaßen seine Art der Fortbewegung ein Stück näher zu bringen. Gesagt, getan und es wurden Rollbretter angeschafft – nach einigen Unfällen mit geklemmten Fingern wurden diese vom Hausmeister des Kindergartens noch mit breiten Quetschschutzrändern versehen. Seither kann man in unserem Kindergarten eine freigeräumte Straße erleben, auf der nicht nur E-Rollstuhl und Rollbrett gefahren wird. Die Straße wird von den Kindern als Laufstrecke, Rennweg, Fluss, Grenze, Autobahn und Landebahn benutzt.

So war es uns möglich, aus der anfänglichen Notwendigkeit der Reduzierung von Barrieren den Kindern einen chancengerechteren Begegnungsraum zu schaffen, den sie nun selbst miteinander immer wieder erleben und beleben.

Martin, Erzieher im Buchkindergarten Leipzig

Wir freuen uns, den Bau der Kindergartenstraße im Rahmen einer Chancenpatenschaften-Projektförderung unterstützt haben zu können und wünschen Jonas, Anton und ihren Freund*innen weiterhin viel Spaß beim Rollbrett- und Rollifahren!

*Namen geändert


Machen auch Sie mit bei den Chancenpatenschaften!

Wir fördern mit Chancenpatenschaften Projekte, im Rahmen derer Patenschaften zwischen Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Teilhabechancen, aber ungefähr gleichen Alters entstehen. Dabei sind die unterschiedlichsten Projektformate denkbar: Wir möchten Projekte Realität werden lassen, die genau dort ansetzen, wo die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen vor Ort liegen. Seit 2016 konnten wir, mit Unterstützung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Menschen stärken Menschen“, bereits über 11.000 Patenschaften initiieren – und möchten weiterhin jedes Jahr 3.000 Patenschaften fördern. Gemeinsam mit Ihnen, mit engagierten Menschen vor Ort, möchten wir Begegnungsräume schaffen und einen Beitrag zu einer chancengerechten Bildung leisten.

Sie haben auch eine Projektidee? Gern beraten und unterstützen wir Sie bei der Antragstellung.

Stiftung Bildung • Regionalteam Sachsen

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