Sounding: Entbürokratisierung von Förderungen des zivilgesellschaftlichen Engagements

Reformen für mehr Wirkung und Innovationen

Empfehlungen und Anregungen zur Entbürokratisierung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements für eine höhere gesellschaftliche Wirkung

Empfehlungen und Anregungen zur Entbürokratisierung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements für eine höhere gesellschaftliche Wirkung (PDF-Datei)

Zivilgesellschaftliches und bürgerschaftliches Engagement sind wichtige Säulen liberaler Demokratien und unseres demokratischen Miteinanders. Dass Menschen unsere Gesellschaft mitgestalten können, macht Demokratie aus. Der Staat finanziert einen wichtigen Anteil zivilgesellschaftlicher Arbeit. Damit geht eine besondere Verantwortung einher, diese Mittel transparent und zielgenau auszugeben. Allerdings stehen zivilgesellschaftliche Organisationen bei der Beantragung, Verausgabung und Abrechnung öffentlicher Mittel häufig vor großen bürokratischen Herausforderungen.

Dies hat uns – die Stiftung Bildung – zusammen mit dem Zentrum Liberale Moderne und vielen Partner*innen aus der Zivilgesellschaft ermutigt, Anregungen zur Entbürokratisierung und Erleichterung für Förderrichtlinien zusammenzustellen. Denn so unterschiedlich die unterzeichnenden Organisationen sind, sie eint der Wille, gemeinsam unsere Demokratie zu gestalten.

Sounding bringt Zivilgesellschaft und Politik ins Gespräch

Infolgedessen haben wir Mitte Mai 2023 zu einem digitalen Fachgespräch eingeladen, um unser 13-Punkte-Papier vorzustellen und mit Akteur*innen aus Politik und Zivilgesellschaft über die Frage zu sprechen: Wie kann die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements entbürokratisiert werden?
Unser Beiratsmitglied Moritz Kirchner moderierte die Veranstaltung. Begrüßen konnte er neben zahlreichen Unterzeichner*innen des Papiers unter anderem die Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement Ariane Fäscher.

Alle Steuereuro zu wirkungsvollen Euro machen

Unsere Vorstandvorsitzende Katja Hintze stellte die 13 Punkte unseres Entbürokratisierungs-Papiers vor und nannte als Prioritäten: Die Gemeinkostenpauschale mache es für alle Seiten leichter in der Abrechnung und sei eine Investition in unsere Gesellschaft. Zudem sei eine längerfristige und vollumfängliche Projektfinanzierung – also von der Projektentwicklung und -konzeption bis hin zur Evaluation und Projektabschluss – wichtig für die Fortschrittlichkeit, denn dies mache alle Steuereuro zu wirkungsvolleren Euro.

Entbürokratisierungspapier zeigt Reformmöglichkeiten auf

Die von Moritz Kirchner angesprochene Sorge des Kontrollverlustes der Verwaltung teilte Katja Hintze dabei nicht. Die enge Zusammenarbeit mit den Geförderten führe ihrer Ansicht nach zu einem hohen Vertrauen und noch höherer Wirkung der weitergegebenen Förderung. Eine Kontrolle könne auch mit Stichproben geschehen oder gute quantitative Forschung leisten. Sie erwähnte auch den kürzlich vom Bündnis für Gemeinnützigkeit vorgelegten Forderungskatalog, der sich auf die gesetzlichen Paragrafen bezieht und nannte ihn eine gute Ergänzung zu unserem Entbürokratisierungspapier, das der Politik und Verwaltung als Anregung für Reformen vorliegt.

Sounding - Entbürokratisierung von Förderungen des zivilgesellschaftlichen Engagements

Zivilgesellschaft spricht sich geschlossen für Entbürokratisierung aus

Dem Input schlossen sich vier Wortmeldungen an, denen Jochen Fest in seiner Rolle als ehrenamtlicher Vorstand des Landesverbands der Kita- und Schulfördervereine Berlin-Brandenburg (lsfb) den Startschuss geben durfte. Für ihn sei eine Verlängerung der Projektlaufzeit auf mindestens drei Jahre am wichtigsten. So könne man Effektivität, Qualität und Quantität der Projekte steigern und nicht nur den hauptamtlichen Mitarbeitenden Planungssicherheit geben.

Von Berlin-Brandenburg ging es nach Thüringen. Und zwar zu Rosa-Maria Haschke, Vorsitzende des Thüringer Landesverbandes der Kita- und Schulfördervereine (TLSFV). Dieser ist neben dem Äquivalent in Berlin-Brandenburg einer der Weiterleitungsempfänger des Bundesprogramms Menschen stärken Menschen. Haschke habe die Fördermittellandschaft von beiden Seiten kennengelernt und wisse, wie viel Kleinarbeit für Ehrenamtliche in Förderungen stecke. Nach ihrer Erfahrung habe die vertrauensbasierte Art der Arbeit oft mehr Geschwindigkeit ermöglicht. Sie wünsche sich mutigere Verwaltungen und vereinfachte Verfahren.

Gemeinkostenpauschale als gutes Instrument der Entbürokratisierung

Ihr schloss sich Rainald Manthe vom Zentrum Liberale Moderne an. Er kenne die Zusammenarbeit mit vielen verschiedenen Zuwendungsgebern. Für ihn sei vor allem die Frage der Einheitlichkeit ein großer Hinderungsgrund: „Wir merken, wie es einfacher gehen kann.“ Er kenne zum Beispiel die Praxis unangekündigter Stichproben und sehe sie als eine Möglichkeit der Kontrolle. Ebenso sehe er die Vereinfachung der Prüfungen bei kleineren Fördersummen als sinnvoll.

Er ging in seiner Priorisierung mit Katja Hintze konform und nannte die Gemeinkostenpauschale als seine Nummer eins als Instrument der Entbürokratisierung und zusätzlich die überjährige Finanzierung. Hilfreich wäre seiner Meinung nach auch ein gemeinsames Regelwerk vom Bund, in dem festgehalten wird, inwiefern die meisten Dinge gefördert werden. Das sei besser eingesetztes Steuergeld und mehr Arbeit an der Wirkung, weniger an der Verwaltung.

Wunsch nach mehr Flexibilität und Planungssicherheit

Joel Albrecht schloss die Runde der Wortmeldungen vor der Diskussion. Er ist aktuell der Finanzkoordinator der Bundesschülerkonferenz (BSK) und bereut unter anderem direkt die Förderanträge. Er steht deshalb in regelmäßigem Kontakt zum Bundesministerium für Bildung und Forschung. Und obwohl es ihm ein Anliegen war, seinen Dank für die Förderung auszusprechen, mit der eine enorme Vernetzung der Schüler*innenvertretung deutschlandweit erst möglich wurde, äußerte er sich durchaus konstruktiv.

Ein grundsätzliches Problem sehe er in der Förderlaufzeit und in den nicht standardisierten Nebenbestimmungen der Förderung. Das Gremium brauche mehr Flexibilität in der Verwendung der Mittel und mehr Planungssicherheit. „Man könnte es einfacher besser machen“, sagt er. Das Papier sei absolut ein Schritt in die richtige Richtung.

Politik teilt Forderungen, sieht aber Hürden bei der Umsetzung

Nun hatte MdB Ariane Fäscher, stellvertretende Vorsitzende im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement, das Wort und sie machte zu Beginn gleich klar: „Sie tragen mit ihren Wünschen und Forderungen Eulen nach Athen.“ Der Politik fehle es nicht an Veränderungsbereitschaft. Der verwaltungstechnische Apparat in nachgeordneten Behörden mache es so kompliziert, einheitlich und nicht flexibel. Konkrete Lösungen sehe sie bei Fonds und Sockelfinanzierungen.

Sie teile alle der Forderungen, nannte sie klug und gut ausformuliert, stellte aber auch die Frage in den Raum, wie Organisationen insgesamt von Verwaltungsaufgaben entlastet werden können. Ihre Vorstellung: Diese Aufgaben bündeln und in verlässliche Hände auf kommunaler Ebene geben. Damit würde man mehr Flexibilität auf Seiten der Geförderten erreichen. Und sie gehe noch einen Schritt weiter: „Ich persönlich wünsche mir die Förderung von Engagement als kommunale Pflichtaufgabe.“ Das sei ein dickes Brett. Aber: „Zivilgesellschaft ist das Fundament für gesellschaftliche Entwicklung, sie hat Innovations- und Aushandlungskompetenz und ist die Grundlage der demokratischen Stabilität. Deshalb brauchen wir dafür eine dauerhaft funktionierende Struktur.“

Ausstattung von Engagement soll nicht vom Kassenstand abhängen

Wie das umzusetzen sei, war die Nachfrage darauf von Moritz Kirchner. Das sei natürlich ein langer Weg, auf dem auch Zwischenlösungen denkbar seien, so Ariane Fäscher. „Aber die Ausstattung von Engagement kann nicht davon abhängen, wie gut die Kassen gerade gefüllt sind.“ Sie könne sich eine neue Art der Interaktion zwischen Bund und Ländern dazu vorstellen, wünscht sich, dass die Zivilgesellschaft in Zukunft die Richtlinien mitformuliert, da sie sie später anwenden muss.

Was die Engagementstrategie definieren müsse, so Ariane Fäscher, seien Schnittstellen, so dass sich die einzelnen Förderungen gegenseitig ergänzen und nicht parallel laufen. Einheitlichkeit und Nachvollziehbarkeit sehe sie dabei als wesentliche Punkte.

Gemeinsam und stetig auf das Finanzministerium einwirken

In der Diskussion im Anschluss wurden zwei Dinge schnell klar: Die Entbürokratisierung ist ein wichtiges Thema für Akteur*innen der Zivilgesellschaft, denn die aktuelle Situation bedeutet für viele schlichtweg Frust. Die 13 Punkte des Papiers bekamen durchweg Zustimmung, denn es sind eine starke Belastung und häufige Unvorhersehbarkeiten in vielen Verbänden zu verzeichnen. Nahezu alle Wortmeldungen beinhalteten den Wunsch nach mehr Vertrauen in die Geförderten und einer Verlängerung von Förderzeiträumen.

Ariane Fäscher versicherte daraufhin die Bemühung um eine Ressortverzahnung in Bezug auf die Bundesengagementstrategie, aber die Bereitschaft, in Veränderung zu gehen, sei im Finanzministerium noch sehr verhalten. Man arbeite an den nötigen kurzfristigen, rechtlichen Veränderungen, um Zivilgesellschaft handlungsfähig zu halten und Innovation möglich zu machen, aber es sei schwer.

Moritz Kirchner zitierte daraufhin aus dem Koalitionsvertrag von vor anderthalb Jahren: „Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden. Sie muss auf interdisziplinäre und kreative Problemlösungen setzen.“ Ob so etwas überhaupt Teil des Regierungshandelns ist, fragte er. Darauf antwortete Ariane Fäscher: „Das politische Wollen und die behördliche Wirklichkeit sind zwei ganz unterschiedliche Dinge.“ Zudem haben sie seit der Wahl andere Realitäten eingeholt.

Die folgenden Wortmeldungen sprachen zum Beispiel das Subsidiaritätsprinzip an, das ist in der Förderpraxis viel stärker zu achten sei. Weiterhin gab es Kritik an der Vorstellung, Aufgaben auf kommunaler Ebene zu bündeln und daran, dass das zivilgesellschaftliche Engagement immer noch nicht von der Umsatzsteuer befreit wurde.

Wie es nun weiter geht, fragte Moritz Kirchner an Ariane Fäscher gerichtet, abschließend. Ihre Antwort: „Im Unterausschuss bürgerliches Engagement werden sie keinen Gegenwind bekommen.“ Man müsse es in die Ministerien einspielen, dort, wo die Veränderungen gemacht werden. Die Wirklichkeit werde sein, dass jede*r im eigenen Beritt immer wieder denselben Tropfen auf denselben Stein, nämlich das Finanzministerium, tröpfeln lassen muss. „Wenn wir das von verschiedenen Seiten regelmäßig tun, wird sich etwas entwickeln.“

Ausblick: Wir bleiben an dem Thema dran

Katja Hintze versprach in ihrem Schlusswort zum Sounding vorbehalten: „Wir bleiben dran.“ Sie sei bereits in Einzelgespräche mit Bundestagsabgeordneten gegangen, tue das auch weiter, auch mit Vertreter*innen aus den Ministerien. Und zu den von Ariane Fäscher angesprochenen geplanten Einsparungen im Bundeshaushalt sagte sie: „Verwaltungsaufwand in Projekten durch Entbürokratisierung minimieren – das wäre auch Art der eine Einsparung.“ Abschließend formulierte sie noch einmal die Ziele: „Innovation bei der Zivilgesellschaft stärken und gleichzeitig durch die Entbürokratisierung den Steuereuro besser und wirksamer einsetzen.“

Linksammlung:

Sounding Entbürokratisierung von Förderungen des zivilgesellschaftlichen Engagements. Reformen für mehr Wirkung und Innovationen

Sounding Entbürokratisierung von Förderungen des zivilgesellschaftlichen Engagements. Reformen für mehr Wirkung und Innovationen (PDF-Datei)

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